Donnerstag, 28. Juli 2022. Kennt ihr Jasper, liebe Leserinnen und Leser? Wahrscheinlich noch nicht, obwohl er schon seit einigen Tagen zu Aricos Rudel gehört. Und umgekehrt. Jasper ist der Hirtenhund-Mischling unserer Campingnachbarn, und irgendwie haben sich die beiden auf eine ganz abenteuerliche Weise gefunden, unter dem Auto nämlich. Bitte keine Panik jetzt, es sind beide wohlauf, Fakt ist einfach, dass Jasper auf Zwirbels linker Seite zuhause ist und Arico auf Zwirbels rechter Seite. Nun, wenn man Hunde kennt, weiss man, dass für sie der kürzeste Weg immer der direkteste ist, egal, was dazwischen steht. So kommt es, dass Arico seinen Kumpel Jasper des öfteren unter Zwirbel hindurch besucht. Und umgekehrt! Mit dem Unterschied, dass Jasper beinahe unter Zwirbel feststeckte, denn er ist um einiges grösser als Arico. Ach Hunde, was haben wir gelacht über euch, und uns gleichzeitig gewundert, auf was für Ideen ihr immer wieder kommt, um beisammen zu sein!
Heute ist alles ein wenig anders. Die Familie muss aus medizinischen Gründen vorzeitig abreisen, und während alles verstaut und verpackt wird, toben Jasper und Arico noch einmal miteinander herum. Wir verabschieden uns, wünschen gute Fahrt, der jungen Dame baldige Genesung und versuchen derweil, den spielenden Hundeknäuel wieder nach Jasper und Arico zu sortieren. Kommt gut nach Hause!



Das Wetter ist heute zwar nicht «der Börner», aber etwas, was wir in der Gegend unbedingt noch besichtigen möchten, ist die Passerschlucht bei Moos oberhalb von St. Leonhard. Das von Eis und Wasser bizarr geformte Tal wurde im Jahre 2015 auf Natur schonende Weise öffentlich zugänglich gemacht, gerne zitiere ich folgende treffenden Worte aus merano-suedtirol.it:
DIE PASSERSCHLUCHT
Wasser formt das Tal
Entlang der Felsenriesen und Waldabschnitten schlängelt sich der Weg direkt am Flussufer entlang, wo die Passer ruhig durch herrliche Becken und über reich geformte Blöcke und Felsen läuft.
Ein ehrgeiziges Projekt macht die Naturschönheit zugänglich, welche die Gewalt der Passer freigelegt und geformt hat. Sie hat sich über die vielen Jahre in den Fels eingekerbt und beeindruckende Felsformationen, Kolche und Strudel gebildet. Im Rahmen der Umwelt–Ausgleichsmaßnahmen beim Bau des Kraftwerks Enerpass entstand 2008 der Plan einen Weg von St. Leonhard nach Moos zu schaffen. Der Weg ist Teil der Wasserwege, die rund um Moos angelegt sind und zeigen, wie Wasser und Eis das Tal geformt haben. Sitzgelegenheiten und Infostellen begleiten den Weg, nur wenige, um der Natur nicht den Vorrang zu nehmen, sondern den Fokus auf ihre Schönheit zu lenken. Viele waren an der Verwirklichung beteiligt, um am Ende etwas zum glücklichen Abschluss zu bringen, das zu Beginn aussichtslos schien.
Der Bus bringt uns von Sertaus nach St. Leonhard, und von da hinauf nach Moos, wo uns der Einstieg in den Passerschluchtenweg gut beschildert erwartet. Die erste Etappe führt uns über eine Hängebrücke und gut gesicherte, im Fels verankerte Stege direkt ins eindrückliche Geschehen.








Wir sind eine ganze Weile unterwegs und staunen immer wieder über die grandiose Natur. Riesige Gesteinsformationen, von Eis und Wasser über viele Jahrtausende zu homogenen Kunstwerken feinst geschliffen. Gebilde, die nur unsere Naturgewalten schaffen können. Farbenspiele, die im Wechselbad von Licht und Schatten Stimmungen schaffen, die verblüffen.












Dann, in der Mitte, ein stillgelegtes Politwerk, die ehemalige Stromversorgung der umliegenden Fraktionen Gomion und Breiteben, erbaut von den Brüdern Josef und Alois Gufler im Jahre 1955. Für mich, der mit Strom im Milchschoppen aufgewachsen ist, eine Augenweide und somit Grund genug, dem Ganzen ein Viertelstündchen Aufmerksamkeit zu widmen. Susanne und Arico warten draussen und nehmen von meinen Glückgefühlen über das Kunstwerk kaum Notiz. Nur zu gerne hätte ich das Ding herausgeschraubt und in unserem Rebentobelbächlein zu Hause installiert! Aber eben, Träume sind Schäume, und daher beziehen wir halt weiterhin unseren Strom aus der Steckdose. Aber, seid mal ehrlich, ein paar Blicke auf diese hohen Kunst der mechanischen Stromerzeugung teilt ihr hoffentlich mit mir, schaut her!









Der Weg wird zunehmend breiter, man spürt die Nähe der Zivilisation wieder. Ein kleiner Rastplatz mit einem Psairer Genussomat säumt den Weg und lädt zur Einkehr ein. Also, Genuss ist irgendwie anders, und so lassen wir den hübsch verkleideten Getränkeautomaten links liegen und steuern unserem Ziel entgegen, dem Busbahnhof von St. Leonhard. Die Passer gleicht unterdessen einem seichten Badeteich und verteilt sich in einer malerisch anmutenden Kieslandschaft, bevor sie sich wieder in ein Wehr zwängen lässt und ihr ursprünglich wildes Temperament zurückerlangt. Wir finden heraus, dass dieser Badeteich in Tat und Wahrheit ein Stausee ist und auf den Namen «Naherholungszone Gomioner Stausee» getauft wurde.







Entgegen der regnerisch angekündigten Wetterprognose brennt uns wieder heftig die Sonne auf den Pelz. Ein Bier wäre jetzt schön. Und siehe da, als ob Engel meinen Wunsch erhört hätten, tut sich vor uns ein Türchen auf. Was heisst Türchen, ein Türmchen ist es, ein Turm mit Anbau sogar, mit der erlösenden Aufschrift «Brauerei zum Brückenwirt»!





Müde von den Schluchten und deren Eindrücken besteigen wir den Bus nach Hause. Zum Znacht gönnen wir uns Pizza in der Campingbeiz, und so geht ein weiterer erlebnisreicher Tag zu Ende, bespickt mit grossem Respekt und tiefer Ehrfurcht vor unserer Natur. Gute Nacht und bis morgen.
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